Arbeitslosengeld II – Mehrbedarfe Monatstipp April 2008
Jeder
Hilfeempfänger erhält zum Leben Regelleistungen und Unterkunftskosten, die -
keiner mag es glauben - tatsächlich den gesamten Lebensbedarf abdecken sollen.
Übrigens zu den Unterkunftskosten zählen auch
die ZASO Gebühren (Müllentsorgung), die als Unterkunftskosten mit von der
ARGE zu übernehmen sind.
Mehrbedarf = mehr ALG II
Daneben existieren eine Fülle weiterer sog. Mehrbedarfe, die eine besondere
Lebenssituation abdecken sollen und in zusätzlichen monatlichen Beträgen
bewilligt werden.
Folgende Mehrbedarfe liegen am häufigsten vor:
-
Mehrbedarfe für Alleinerziehende
42 € – 208 €,
-
für Schwangere ab der 13.
Schwangerschaftswoche 59 €,
-
behinderte Hilfeempfänger für Zeit
der beruflichen
Reha (Teilhabeleistungen nach § 33 SGB
IX) 109 - 121 €,
-
nichterwerbsfähige
Sozialgeldempfänger (Kinder oder
Personen, die unter 3 Stunden täglich
arbeiten können und aufgrund der
Schwerbehinderung das Merkzeichne G
haben),
und
-
Mehrbedarfe für kostenaufwändigen
Ernährung (aufgrund einer bestimmten Erkrankung, hier bescheinigt der Hausarzt
eine bestimmte Kostform)
Bei folgenden Erkrankungen fallen entsprechende Mehrbedarfe an, die
monatlich zusätzlich gezahlt werden:
Hypertonie (Bluthochdruck) 25,56 €
Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte) 35,79 €
Hyperurikämie (Gicht) 30,68 €
Krebs
25,56 €
Lebererkrankung 30,68 €
Nierenerkrankung 30,68 €
Neurodermitis 25,56 €
Laktoseintoleranz 66,47 €
Diabetes mellitus Typ I 25,56 € -
51,13 €
Diabetes mellitus Typ II a
51,13 €
Multiple Sklerose 25,56 €
Morbus Crohn 25,56 €
und andere Erkrankungen
Wenn bei einer Person mehrere Erkrankungen vorliegen, die jeweils
unterschiedliche Kostformen erfordern, können die einzelnen Mehrbedarfe summiert
werden, so daß sich der Mehrbedarf insgesamt erhöht.
Zur Beantragung muss der Hausarzt das Zusatzblatt 8 oder jetzt neu die
Bescheinigung MBE ausfüllen und darin die verschiedenen Erkrankungen angeben.
Dieses ausgefüllte Zusatzblatt ist dann einfach bei der ARGE abzugeben und der
Mehrbedarf ist entsprechend der ärztlichen Angaben zu bewilligen.
Die entsprechenden Formulare sind bei der ARGE erhältlich oder auf der
Internetseite der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de)
zu finden.
Sollten mehrere Erkrankungen vorliegen, sollten alle angegeben werden, da auch
eine Summierung der Mehrbedarfe in Betracht kommt.
Da sicherlich viele Hilfeempfänger noch nie etwas von diesem Mehrbedarf gehört
haben, sollte der Hausarzt gleich noch attestieren, seit wann aufgrund der
Erkrankung ein Mehrbedarf erforderlich ist.
Sollte beispielsweise eine Person seit Jahren an Bluthochdruck leiden, aber noch
nie einen Mehrbedarf von 25,56 € monatlich erhalten haben, kommt auch eine
rückwirkende Bewilligung des Mehrbedarfes in Betracht, sofern der Arzt
bescheinigt, dass diese Erkrankung schon dauerhaft vorliegt.
Mietkosten
Am 07.11.2006 hat der Kreistag Saalfeld eine Absenkung der Obergrenzen der
Mietkosten um 20,- € beschlossen. Wurde z.B. bislang als Höchstbetrag für einen
1-Personenhaushalt ein Betrag von 300,- € gezahlt, so reduzierte sich dieser
Betrag auf 280,- €, obwohl die Hilfeempfänger die gleichen Mietkosten
weiterzahlen mussten. Für 2-Personenhaushalte reduzierte sich der Höchstbetrag
von 386,- € auf 366,- €. Für 3-Personenhaushalte von 447,- € auf 427,- €.
I
n
zahlreichen kürzlich vor dem Sozialgericht Meiningen für die Hilfeempfänger
erstrittenen Musterentscheidungen wurde nunmehr festgestellt, dass diese Kürzung
der Unterkunftskosten um 20,- € nicht zulässig ist (S 21 AS 1873/06 u.a.).
Auch das LSG Thüringen hat schon am 09.03.2007 (L 7 AS 1097/07) entschieden,
dass eine Unterkunftsrichtlinie kein geeigneter Maßstab für die Bemessung der
Unterkunftskosten darstellt.
Urteile verschiedener
Sozialgerichte
Das BSG (Bundessozialgericht) hat entschieden, dass regelmäßige
Schönheitsreparaturen von der ARGE zu zahlen sind (AZ. B 11b AS 31/06).
Das LSG Bayern hat entschieden, dass eine Sanktion wegen des Abbruch eines
1-€-Jobs mit 30 Stunden/Woche unzulässig und unzumutbar ist, da eine solche
Arbeitsgelegenheit niemals eine beinahe Vollzeitbeschäftigung erreichen darf
(AZ. L 7 AS 199/06).
Eine Sanktion (Kürzung des ALG II um 30 % für 3 Monate) wegen der Weigerung
eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen ist unzulässig (SG Köln S
19 AS 1/08).
Der Abzug der 18 % Pauschale für Warmwasser ist nicht zulässig, so dass
BSG im Urteil vom 27.02.2008. Es darf lediglich ein Abzug von 6,25 € pro Person
bei vollem Regelsatz erfolgen. Bei hohen Heizkostenvorauszahlungen verringert
sich damit der Abzug für Warmwasser (AZ. B 14/7b 64/06 R)
Das LSG Hessen AZ. L 6 AS 145/07 ER legte fest, dass beim Umzug eines
Hilfeempfängers die Mietkaution von der ARGE als Darlehen zu zahlen ist
und dieses Darlehen nicht von den Hilfeempfängern aus dem monatlichen ALG
II Zahlungen zurückgefordert werden kann.
Die Kosten für Heizöl, Holz und
sonstige feste Brennstoffe sind durch die ARGE zu zahlen, wenn sie tatsächlich
anfallen. D.h. einmalige Heizkostenbeihilfen sind zu zahlen und nicht in
monatliche Beträge aufzuteilen (BSG 16.05.2007 AZ. B 7b AS 40/06 R).
Kosten und Beratungshilfe
Das Widerspruchsverfahren und das Verfahren vor dem Sozialgericht ist
gerichtskostenfrei.
Zur Durchsetzung der Rechte gegenüber der ARGE stehen die Erfolgschancen
erheblich besser, wenn sich ALG II Empfänger anwaltlich vertreten lassen, da
sich zumindest im außergerichtlichen Bereich die Widersprüche erheblich
beschleunigen lassen.
Nach dem Beratungshilfegesetz haben alle ALG II Empfänger und Personen
mit geringem Einkommen und Vermögen einen gesetzlichen Anspruch auf
Beratungshilfe, d.h. die außergerichtlichen Kosten eines Anwaltes trägt die
Staatskasse, wenn vorher alle Möglichkeiten genutzt wurden, um die Sache allein
zu klären.
Für die gerichtliche Durchsetzung kann unter den gleichen Voraussetzungen
Prozesskostenhilfe bewilligt werden, so dass sich bedürftige Personen auch vor
dem Sozialgericht anwaltlich vertreten lassen können.
Daran zeigt sich, daß alle ALG II Empfänger die Möglichkeit haben, ihren
Bescheid von einem fachkundigen Anwalt prüfen zu lassen, ohne hohe Rechnungen
des Rechtsanwaltes befürchten zu müssen.
RA Andreas Marr, Saalfeld
Fachanwalt für Sozialrecht